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Three Billboards outside Ebbing, MI: Eine eigentlich irische Geschichte

Für den Verein Cinépassion unter dem Motto “Das Böse unter uns” und zu Ehren des schliessenden stadtältesten Kinos Uto in Zürich sollte ich zu Martin McDonaghs Film Three Billboards outside Ebbing, Missouri einen Kommentar aus anglistischer Sicht vortragen. Das führte mich zunächst auf die Sprache, die ich selbst nach etlichen Visionierungen herrlich genüsslich fand. Das liegt nicht nur am Schnellfeuer der cleveren Beleidigungen, sondern schlicht am Dialektalen (“I don’t think those billboards is very fair” und “There’s civil laws prevents that”, um zwei sympathische Beispiele zu nennen). In der englischsprachigen Welt haben nur wenige Dialekte das Privileg, als solche überhaupt anerkannt zu werden. Das schottische Englisch oder etwa das australische haben dieses Glück. Das afroamerikanische musste sich diesen Status erkämpfen, wobei da noch starker Widerstand herrscht. Die Präsenz eines Dialekts signalisiert gewissermassen, dass sich das Gesagte jenseits der etablierten Kommunikationsmuster bewegen wird. Allein schon grammatikalisch, aber dann eben auch inhaltlich oder in der Wortwahl. Denn in diesem Sinne wird im Film auch mächtig geflucht und das schon vom ersten Dialog an, in dem das Fluchen explizit besprochen wird. Die Protagonistin, die zum Nachnamen fast gleich heisst wie der Hays Code, zählt einige der Schimpfwörter auf, die sich für ihre Plakate wohl nicht ziemen. Diese Plakate, wie der Gebrauch von Schimpfwörtern, werden dann ihren Schmerz und ihr Bedürfnis nach Katharsis signalisieren.

 

Die Plakate haben zwar ihren Ursprung in mindestens einem realen Fall in den USA, doch sehe ich den Film trotz des realen Hintergrunds und des Settings im Film ganz anders, nämlich als eine irische Geschichte. So wuchs McDonagh grösstenteils in London auf, doch haben es Menschen in der Peripherie einer Kultur (z.B. wegen Immigration) nicht selten an sich, dass sie sich umso stärker mit ihrer Herkunftskultur identifizieren. Auch hat sich McDonagh schon in jungen Jahren vom katholischen Glauben losgesagt, doch postulieren Denker wie Slavoj Žižek oder (wie ich mir habe sagen lassen) Jean-Luc Nancy, dass der Apostat nicht selten der gläubigere Mensch ist.

Ich stelle diese Überlegungen an, weil vieles im Film erst so richtig Bedeutung annimmt, wenn man es durch eine irisch-katholische Linse betrachtet. So beleidigt Mildred den besuchenden Priester als mitschuldig an Kindesmissbrauch (“culpable”) und schickt ihn fluchend seines Weges. Nun wäre das in Irland ein klarer Tabubruch, blasphemisch und eine Beleidigung der gesamten Gemeinde. Nur kennt man in den USA diese kompromisslose Bindung an Kirchengemeinden weniger. Kirchengemeinden spalten sich dort mit grosser Regelmässigkeit, wenn Streitpunkte nicht für alle beseitigt werden können. Ausserdem übertrumpft das Recht auf freie Meinungsäusserung tendenziell viele Tabus, erst recht im Umgang mit ungeladenen Gästen in den eigenen vier Wänden.

 

Die Ablehnung der Kirche durch Apostasie kann, wie vorhin kurz erwähnt, aber auch ein gesteigertes Bedürfnis nach Glauben bedeuten. So verflucht Mildred die Kirchgemeinde, aber auch nur, weil sie von der Grausamkeit der Welt verletzt ist. Auch in Irland wendeten und wenden sich Leute von der Kirche ab, wenn diese etwa ihren Kampf nach Unabhängigkeit nicht unterstützt oder wenn neben katholisch geführten Institutionen Massengräber voller Frauenleichen ans Tageslicht kommen. Eine Kirche, die aus Verachtung Menschen anonym, also nicht rechtmässig, bestattet, dürfte eben gerade religiöse Sensibilitäten verletzen, auch wenn die protestierend aus der Kirche ausgetretenen Iren das nicht so formulieren würden.

Mildreds Revolte ist von auffällig katholischen Symbolen geprägt. So lässt sie ihre Plakate genau am Ostersonntag aufstellen. Ich frage mich, wie viele im amerikanischen Publikum auf dieses Detail geachtet haben. Es wird erwähnt, dass Mildred dadurch das Osteressen des Sheriffs stört. Aber wichtiger scheint mir noch, dass Ostern das höchste Fest im Christentum ist und dass der Ostersonntag spezifisch für die Auferstehung steht. Genau dann an Mord und Ungerechtigkeit zu erinnern ist ein gezielter Akt des Protests. Der Ort dieser Plakate, das ist zufällig derselbe Ort, wo Angela zu Tode kam. Mildred geht immer wieder dorthin, schmückt die Stelle mit Blumen, gedenkt dort ihrer Tochter. Mehr noch, sie erlebt dort eine spirituelle Erfahrung, als ihr ein Reh erscheint. Dass es ein Wunder, etwas Spirituelles sein könnte, verneint sie sofort, doch das emotionale Gewicht der Szene zeigt uns: Doch, hier ist die Logik der Heiligenverehrung noch in vollem Gange.

 

Die bisher erwähnten Elemente zählen für mich zu den subtileren Aspekten der irisch-katholischen Symbolik im Film. Noch stärker ist die Kehrtwende des Antagonisten Jason Dixon nach seiner Berührung mit dem Feuer. In McDonaghs Erstlingsfilm wurde das Thema des Fegefeuers explizit behandelt, hier scheint es sich bildlich stärker zu wiederholen. Eine andere Kehrtwende im Film ist jene des Sheriffs Willoughby, der seine Haltung gegenüber den roten Plakaten ändert. Reagiert er am Anfang gereizt, so bezahlt er die Kosten für eine Monatsmiete schliesslich selber. Er anerkennt dabei, wie die Plakate strategisch wirksam waren und ihre Berechtigung hatten. Er reagiert mit Verständnis anstelle von Feindseligkeit. Er hält also die andere Wange hin. Er macht damit ferner vor, worauf der ganze Film hinauswill: Viele Sequenzen zeigen uns, wie aggressive Reaktionen entweder zu heftig sind und/oder die falsche Person treffen, wodurch die Situation noch weiter eskalieren kann. Die Sequenz im Restaurant zeigt das verdichtet vor. Es sind Leute wie Willoughby, die so etwas entschärfen können.

 

Willoughby ist auf eine andere, allgemeinere Art ein Vorbild: Er ist ein nicht-toxisches Männlichkeitsbild. Es wird viel darüber geschrieben und debattiert, wie sich Männlichkeit nicht zu äussern hat. Jason Dixon verkörpert vieles, was der sog. toxischen Männlichkeit angehängt wird: Die impotent-unkontrollierte Anwendung übermässiger Gewalt, die Destruktivität. Der Grund sind bei ihm die vielen Frustrationen und Erfahrungen von Versagen, die er auf seine Hassobjekte externalisiert. Emotionen kann er nicht sinnvoll verarbeiten, alles schlägt bei ihm sofort um in Gewaltexzesse.

Weniger wird hingegen darüber gesprochen, wie nicht-toxische Männlichkeit aussieht. Die Metapher wird auch selten umgekehrt; ich schlage also vor, von wohltuender Männlichkeit zu sprechen. Und Willoughby, dessen Haltung und Kleidung an den Archetyp des Lone Ranger erinnern, verkörpert eine Männlichkeit, die den Menschen in seinem Leben wohltut. Er vermag es, auf der Arbeit ein Vorbild zu sein und zu Hause ein harmonisches Familienleben zu führen. Er ist in Wort und Tat ein besonnener Mann. Seine Botschaften aus dem Grab heraus sind weise und erhellend, zu Lebzeiten hat er unnötige Gewalt verhindert. Auf diese Weise versucht der Film, zwischen kulturellen Idealen zu vermitteln. Willoughby ist wohltuend männlich und zugleich der sprichwörtliche “good guy with a gun”, der von konservativen Stimmen als notwendig hochgehalten wird.

 

Vermitteln und verzeihen, das soll nicht nur im Film geschehen, das scheint sich der Film auch jenseits der Handlung zu wünschen. Jason Dixon heisst wahrscheinlich so, weil es sich mit Mason Dixon reimt, einer Bezeichnung für die Grenze zwischen Süd- und Nordstaaten. Es wird einige Male erwähnt, dass Dixon unschuldige Schwarze gefoltert haben soll. Das spielt natürlich an die vielen Berichte über rassistisch motivierte Polizeigewalt an. Der Film beschwört also das grosse Thema der ‘Race Relations’ in den USA, doch was geschieht im Film damit? Die Kritik am Film war diesbezüglich stark: Der Film behandle das Thema des Rassismus nur anhand von Extremen, habe keine nennenswerten schwarzen Figuren (abgesehen, vielleicht, vom zweiten Sheriff) und versuche, einen verachtenswerten Rassisten auf unglaubwürdige Art freizusprechen. Die ersten zwei Vorwürfe kann ich durchaus verstehen; es ist generell so, dass der Film mit dem zentralen Thema mehr als genug Stoff hat und dieses Beschwören des Rassismus nicht nötig hätte.

Allerdings widerspreche ich beim ‘Redemption Arc’ von Jason Dixon. Die Kritik sieht in seiner Entwicklung eine Abkehr und Läuterung und dass wir Dixon als Held feiern sollen. Ich sehe darin ein kulturelles Missverständnis: Die puritanisch geprägten Geschichten in den USA haben eine Vorliebe für solcherlei Narrative, “I was lost, but now am found. Was blind, but now I see” – Narrative vom ehemaligen Sünder, der dann umso stärker die guten Ideale verkörpert. So ein Narrativ findet meiner Meinung nach im Film nicht statt. Es scheint mir, dass Dixon selbst nach der vermeintlichen Kehrtwende und dem buchstäblichen Fegefeuer kein Sympathieträger ist. Seine Aussagen bleiben verwegen, sein Wunsch nach Gewalteskalation bleibt bestehen. Er ist nicht gänzlich geläutert und erneuert. Denn die katholische Sicht ist da schwieriger. Grundsätzlich wird nämlich jede Sünde verziehen, was für Geschädigte natürlich schwierig nachzuvollziehen ist (Der väterliche Willoughby scheint Dixon auch sehr viel zu verzeihen, ohne dass uns dafür konkrete Gründe gezeigt werden). Dieses beinahe blinde Verzeihen steht nicht selten im Zentrum des katholischen Diskurses, weil es ein so schwieriges Thema ist. Die Kehrseite davon ist aber, dass ein Sünder, dem verziehen wurde, nicht automatisch rein wird. Vielmehr ist ein jeder ein unzulänglicher Sünder und bleibt das auf Lebenszeit, trotz Vergebung. Das Böse, es lebt immer unter uns.

 

So wurde Martin McDonagh von seiner irischen Heimatstadt geehrt

Für den Verein Cinépassion unter dem Motto “Das Böse unter uns” und zu Ehren des schliessenden stadtältesten Kinos Uto in Zürich sollte ich zu Martin McDonaghs Film Three Billboards outside Ebbing, Missouri einen Kommentar aus anglistischer Sicht vortragen. Das führte mich zunächst auf die Sprache, die ich selbst nach etlichen Visionierungen herrlich genüsslich fand. Das liegt nicht nur am Schnellfeuer der cleveren Beleidigungen, sondern schlicht am Dialektalen (“I don’t think those billboards is very fair” und “There’s civil laws prevents that”, um zwei sympathische Beispiele zu nennen). In der englischsprachigen Welt haben nur wenige Dialekte das Privileg, als solche überhaupt anerkannt zu werden. Das schottische Englisch oder etwa das australische haben dieses Glück. Das afroamerikanische musste sich diesen Status erkämpfen, wobei da noch starker Widerstand herrscht. Die Präsenz eines Dialekts signalisiert gewissermassen, dass sich das Gesagte jenseits der etablierten Kommunikationsmuster bewegen wird. Allein schon grammatikalisch, aber dann eben auch inhaltlich oder in der Wortwahl. Denn in diesem Sinne wird im Film auch mächtig geflucht und das schon vom ersten Dialog an, in dem das Fluchen explizit besprochen wird. Die Protagonistin, die zum Nachnamen fast gleich heisst wie der Hays Code, zählt einige der Schimpfwörter auf, die sich für ihre Plakate wohl nicht ziemen. Diese Plakate, wie der Gebrauch von Schimpfwörtern, werden dann ihren Schmerz und ihr Bedürfnis nach Katharsis signalisieren.

 

Die Plakate haben zwar ihren Ursprung in mindestens einem realen Fall in den USA, doch sehe ich den Film trotz des realen Hintergrunds und des Settings im Film ganz anders, nämlich als eine irische Geschichte. So wuchs McDonagh grösstenteils in London auf, doch haben es Menschen in der Peripherie einer Kultur (z.B. wegen Immigration) nicht selten an sich, dass sie sich umso stärker mit ihrer Herkunftskultur identifizieren. Auch hat sich McDonagh schon in jungen Jahren vom katholischen Glauben losgesagt, doch postulieren Denker wie Slavoj Žižek oder (wie ich mir habe sagen lassen) Jean-Luc Nancy, dass der Apostat nicht selten der gläubigere Mensch ist.

Ich stelle diese Überlegungen an, weil vieles im Film erst so richtig Bedeutung annimmt, wenn man es durch eine irisch-katholische Linse betrachtet. So beleidigt Mildred den besuchenden Priester als mitschuldig an Kindesmissbrauch (“culpable”) und schickt ihn fluchend seines Weges. Nun wäre das in Irland ein klarer Tabubruch, blasphemisch und eine Beleidigung der gesamten Gemeinde. Nur kennt man in den USA diese kompromisslose Bindung an Kirchengemeinden weniger. Kirchengemeinden spalten sich dort mit grosser Regelmässigkeit, wenn Streitpunkte nicht für alle beseitigt werden können. Ausserdem übertrumpft das Recht auf freie Meinungsäusserung tendenziell viele Tabus, erst recht im Umgang mit ungeladenen Gästen in den eigenen vier Wänden.

 

Die Ablehnung der Kirche durch Apostasie kann, wie vorhin kurz erwähnt, aber auch ein gesteigertes Bedürfnis nach Glauben bedeuten. So verflucht Mildred die Kirchgemeinde, aber auch nur, weil sie von der Grausamkeit der Welt verletzt ist. Auch in Irland wendeten und wenden sich Leute von der Kirche ab, wenn diese etwa ihren Kampf nach Unabhängigkeit nicht unterstützt oder wenn neben katholisch geführten Institutionen Massengräber voller Frauenleichen ans Tageslicht kommen. Eine Kirche, die aus Verachtung Menschen anonym, also nicht rechtmässig, bestattet, dürfte eben gerade religiöse Sensibilitäten verletzen, auch wenn die protestierend aus der Kirche ausgetretenen Iren das nicht so formulieren würden.

Mildreds Revolte ist von auffällig katholischen Symbolen geprägt. So lässt sie ihre Plakate genau am Ostersonntag aufstellen. Ich frage mich, wie viele im amerikanischen Publikum auf dieses Detail geachtet haben. Es wird erwähnt, dass Mildred dadurch das Osteressen des Sheriffs stört. Aber wichtiger scheint mir noch, dass Ostern das höchste Fest im Christentum ist und dass der Ostersonntag spezifisch für die Auferstehung steht. Genau dann an Mord und Ungerechtigkeit zu erinnern ist ein gezielter Akt des Protests. Der Ort dieser Plakate, das ist zufällig derselbe Ort, wo Angela zu Tode kam. Mildred geht immer wieder dorthin, schmückt die Stelle mit Blumen, gedenkt dort ihrer Tochter. Mehr noch, sie erlebt dort eine spirituelle Erfahrung, als ihr ein Reh erscheint. Dass es ein Wunder, etwas Spirituelles sein könnte, verneint sie sofort, doch das emotionale Gewicht der Szene zeigt uns: Doch, hier ist die Logik der Heiligenverehrung noch in vollem Gange.

 

Die bisher erwähnten Elemente zählen für mich zu den subtileren Aspekten der irisch-katholischen Symbolik im Film. Noch stärker ist die Kehrtwende des Antagonisten Jason Dixon nach seiner Berührung mit dem Feuer. In McDonaghs Erstlingsfilm wurde das Thema des Fegefeuers explizit behandelt, hier scheint es sich bildlich stärker zu wiederholen. Eine andere Kehrtwende im Film ist jene des Sheriffs Willoughby, der seine Haltung gegenüber den roten Plakaten ändert. Reagiert er am Anfang gereizt, so bezahlt er die Kosten für eine Monatsmiete schliesslich selber. Er anerkennt dabei, wie die Plakate strategisch wirksam waren und ihre Berechtigung hatten. Er reagiert mit Verständnis anstelle von Feindseligkeit. Er hält also die andere Wange hin. Er macht damit ferner vor, worauf der ganze Film hinauswill: Viele Sequenzen zeigen uns, wie aggressive Reaktionen entweder zu heftig sind und/oder die falsche Person treffen, wodurch die Situation noch weiter eskalieren kann. Die Sequenz im Restaurant zeigt das verdichtet vor. Es sind Leute wie Willoughby, die so etwas entschärfen können.

 

Willoughby ist auf eine andere, allgemeinere Art ein Vorbild: Er ist ein nicht-toxisches Männlichkeitsbild. Es wird viel darüber geschrieben und debattiert, wie sich Männlichkeit nicht zu äussern hat. Jason Dixon verkörpert vieles, was der sog. toxischen Männlichkeit angehängt wird: Die impotent-unkontrollierte Anwendung übermässiger Gewalt, die Destruktivität. Der Grund sind bei ihm die vielen Frustrationen und Erfahrungen von Versagen, die er auf seine Hassobjekte externalisiert. Emotionen kann er nicht sinnvoll verarbeiten, alles schlägt bei ihm sofort um in Gewaltexzesse.

Weniger wird hingegen darüber gesprochen, wie nicht-toxische Männlichkeit aussieht. Die Metapher wird auch selten umgekehrt; ich schlage also vor, von wohltuender Männlichkeit zu sprechen. Und Willoughby, dessen Haltung und Kleidung an den Archetyp des Lone Ranger erinnern, verkörpert eine Männlichkeit, die den Menschen in seinem Leben wohltut. Er vermag es, auf der Arbeit ein Vorbild zu sein und zu Hause ein harmonisches Familienleben zu führen. Er ist in Wort und Tat ein besonnener Mann. Seine Botschaften aus dem Grab heraus sind weise und erhellend, zu Lebzeiten hat er unnötige Gewalt verhindert. Auf diese Weise versucht der Film, zwischen kulturellen Idealen zu vermitteln. Willoughby ist wohltuend männlich und zugleich der sprichwörtliche “good guy with a gun”, der von konservativen Stimmen als notwendig hochgehalten wird.

 

Vermitteln und verzeihen, das soll nicht nur im Film geschehen, das scheint sich der Film auch jenseits der Handlung zu wünschen. Jason Dixon heisst wahrscheinlich so, weil es sich mit Mason Dixon reimt, einer Bezeichnung für die Grenze zwischen Süd- und Nordstaaten. Es wird einige Male erwähnt, dass Dixon unschuldige Schwarze gefoltert haben soll. Das spielt natürlich an die vielen Berichte über rassistisch motivierte Polizeigewalt an. Der Film beschwört also das grosse Thema der ‘Race Relations’ in den USA, doch was geschieht im Film damit? Die Kritik am Film war diesbezüglich stark: Der Film behandle das Thema des Rassismus nur anhand von Extremen, habe keine nennenswerten schwarzen Figuren (abgesehen, vielleicht, vom zweiten Sheriff) und versuche, einen verachtenswerten Rassisten auf unglaubwürdige Art freizusprechen. Die ersten zwei Vorwürfe kann ich durchaus verstehen; es ist generell so, dass der Film mit dem zentralen Thema mehr als genug Stoff hat und dieses Beschwören des Rassismus nicht nötig hätte.

Allerdings widerspreche ich beim ‘Redemption Arc’ von Jason Dixon. Die Kritik sieht in seiner Entwicklung eine Abkehr und Läuterung und dass wir Dixon als Held feiern sollen. Ich sehe darin ein kulturelles Missverständnis: Die puritanisch geprägten Geschichten in den USA haben eine Vorliebe für solcherlei Narrative, “I was lost, but now am found. Was blind, but now I see” – Narrative vom ehemaligen Sünder, der dann umso stärker die guten Ideale verkörpert. So ein Narrativ findet meiner Meinung nach im Film nicht statt. Es scheint mir, dass Dixon selbst nach der vermeintlichen Kehrtwende und dem buchstäblichen Fegefeuer kein Sympathieträger ist. Seine Aussagen bleiben verwegen, sein Wunsch nach Gewalteskalation bleibt bestehen. Er ist nicht gänzlich geläutert und erneuert. Denn die katholische Sicht ist da schwieriger. Grundsätzlich wird nämlich jede Sünde verziehen, was für Geschädigte natürlich schwierig nachzuvollziehen ist (Der väterliche Willoughby scheint Dixon auch sehr viel zu verzeihen, ohne dass uns dafür konkrete Gründe gezeigt werden). Dieses beinahe blinde Verzeihen steht nicht selten im Zentrum des katholischen Diskurses, weil es ein so schwieriges Thema ist. Die Kehrseite davon ist aber, dass ein Sünder, dem verziehen wurde, nicht automatisch rein wird. Vielmehr ist ein jeder ein unzulänglicher Sünder und bleibt das auf Lebenszeit, trotz Vergebung. Das Böse, es lebt immer unter uns.

 

So wurde Martin McDonagh von seiner irischen Heimatstadt geehrt